Die Geschichte des Aerodynamischen Instituts

Die "Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule" in Aachen wurde im Jahre 1870 gegründet. Prof. A. Ritter war der erste Professor, der Mechanik an dieser Universität unterrichtete. Er wurde von Prof. A. Sommerfeld abgelöst. Anschließend übernahm Prof. Reissner den Lehrstuhl. Gemeinsam mit H. Junkers, der später einer von Deutschlands bekanntesten Flugzeugherstellern werden sollte, begann er 1909 in Aachen mit strömungsmechanischen Experimenten.

Wesentliche theoretische Arbeiten wurden im Bereich der Flugstabilität und der Manövrierbarkeit von Flugzeugen durchgeführt. 1909 experimentierte Reissner mit einem Doppeldecker, der weiter als 100m glitt. Eine seiner eigenen Entwicklungen war die berühmte "Reissner Ente" in Entenflügelkonfiguration. Sie flog erstmals 1912 und war das erste Flugzeug in Ganzmetallbauweise. Obwohl Reissner Aachen 1913 verließ, kann er als Gründer des Aerodynamischen Instituts angesehen werden, dessen Geschichte 1912 begann.

Im Jahre 1913 übernahm Th. von Kármán den Lehrstuhl für Mechanik und Aerodynamik. Er hatte in Budapest studiert und war im Jahr 1906 für seine Dissertation an das Institut Ludwig Prandtls in Göttingen gekommen. Nicht nur ist ihm der wissenschaftliche Ausbau des Aerodynamischen Instituts zu verdanken, sondern auch die durch ihn eingeführte sehr enge Verflechtung zwischen Forschung und Anwendung in Aachen.

Ab 1926 pendelte von Kármán zwischen Aachen und dem California Institute of Technology in Pasadena, wo er der Leiter der Graduate Aeronautical Laboratories war. Nach einer längeren Beurlaubung verließ er schließlich Aachen und ließ sich 1934 in Pasadena nieder. Doch Th. von Kármán hatte nicht nur einen außerordentlichen Einfluss auf die Forschung in der Strömungslehre und der Aerodynamik in Aachen. Nach dem zweiten Weltkrieg widmete sich von Kármán der Wiedereingliederung der deutschen aerodynamischen Forschung in die internationale wissenschaftliche Gemeinschaft. Zudem war er der Gründer der Advisory Group for Aeronautical Research and Development (AGARD) der NATO und bekam 1963 von Präsident Kennedy die erste National Medal of Honor der Vereinigten Staaten verliehen. Einige Wochen nach der Zeremonie starb Prof. Th. von Kármán am 7.5.1963 in Aachen, fünf Tage vor seinem 82. Geburtstag. Wenige Tage später erfolgte die Beisetzung in seiner Heimatstadt Pasadena.

Nachdem Carl Wieselsberger in München studiert hatte und in den Ingenieurwissenschaften promoviert worden war ging er nach Göttingen, wo er zusätzlich in Philosophie promoviert wurde. Bis 1930 arbeitete er an der kaiserlichen Universität in Tokio. Im Jahr 1931 wurde er als Inhaber des Lehrstuhls für Mechanik nach Aachen gerufen. Später folgte er außerdem von Kármán als Leiter des Aerodynamischen Instituts nach. Viele Themen seiner Forschungsarbeiten übernahm er aus seiner Praxis als leidenschaftlicher Flieger. Prof. C. Wieselsberger entwickelte Messtechniken und Messinstrumente und begann mit dem Aufbau eines intermittierend arbeitenden Überschallwindkanals. 1941 starb Prof. C. Wieselsberger 53-jährig nach einer schmerzhaften Krankheit.

Von 1941 bis 1944 litt das Aerodynamische Institut in Aachen zunehmend unter Luftangriffen und wurde schließlich nach Sonthofen im Allgäu verlegt. Nach dem Zusammenbruch des dritten Reichs zog das Institut 1947 wieder nach Aachen. In der ersten Zeit nach dem zweiten Weltkrieg war die Forschung im Bereich der Aerodynamik in Deutschland verboten. Später wurde sie auf einige spezielle Themen beschränkt. Diese Beschränkungen wurden dank des Einsatzes von Wissenschaftlern wie Th. von Kármán im Laufe der Zeit aufgehoben.

F. Seewald wurde 1942 nach Aachen gerufen und zum Direktor des Aerodynamischen Instituts in Aachen ernannt. Er hatte in Aachen studiert, seine Promotion abgelegt und später bei der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL) in Berlin gearbeitet. Aufgrund dieser Position hatte Prof. Seewald Verpflichtungen in Berlin und somit wurden die meisten Vorlesungen in den frühen 50er Jahren von Dr. Naumann gehalten. Nach dem Krieg konzentrierte sich die Arbeit am Institut auf die Grundlagenforschung. Prof. Seewald erkannte die Notwendigkeit eines stärkeren Ausbaus der aerodynamischen Forschung als es an einer Universität möglich war. Deshalb initialisierte er die Gründung einer Zweigstelle der DVL in Aachen. Er emeritierte 1963, hielt aber noch Vorträge bis 1973. Prof. Seewald starb 1974 im Alter von 79 Jahren in Aachen.

A. Naumann übernahm 1963 den Lehrstuhl für Strömungslehre und die Leitung des Aerodynamischen Instituts in Aachen. Er hatte in Leipzig studiert und kam 1937 nach Aachen, um die Leitung des Windkanals am Institut unter Prof. Wieselsberger zu übernehmen. Nach dem zweiten Weltkrieg arbeitete er in Frankreich, um u. A. einen modernen Überschallwindkanal zu konstruieren, bis er 1951 nach Aachen zurückkehrte. Sein Hauptforschungsgebiet war die Gasdynamik. Seine Vorlesungen beinhalteten unter anderem hypersonische Strömungen, Thermo- und Magneto-Gasdynamik und Strömungen mit geringer Dichte. Ebenso wie Th. von Kármán war er Mitglied in der Gruppe zur Beratung der NATO in Fragen der aerodynamischen Forschung und Entwicklung (AGARD). 1983 starb Prof. A. Naumann 77-jährig in Aachen.

E. Krause beendete 1961 sein Maschinenstudium an der RWTH Aachen. Anschließend studierte er mit einem Stipendium der NATO am Polytechnic Institute in Brooklyn. Dort erhielt er 1962 den Master of Science. Ab 1964 arbeitete er als Forschungsassistent an der New York University, wo er 1966 mit einem Philosophical Degree graduierte. 1967 erhielt er den Founders Day Award der New York University. Im gleichen Jahr kam er nach Deutschland zurück, um bei der Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt (DFVLR) in Köln zu arbeiten.

1973 erhielt Prof. E. Krause den Lehrstuhl für Strömungslehre und wurde zum Direktor des Aerodynamischen Instituts in Aachen ernannt. Sein ständiger Einsatz für einen intensiven Austausch zwischen Experiment und Numerik ist die Grundlage für das hohe Niveau der Forschungsarbeit des Instituts. Im Jahr 1993 wurde Prof. E. Krause zusammen mit den Profs. K. Kuwahara und R. Peyret mit dem Max-Planck-Forschungspreis gewürdigt. Seit Sommer 1998 ist Prof. E. Krause emeritiert.

Im August 1998 übernahm W. Schröder den Lehrstuhl für Strömungslehre und die Leitung des Aerodynamischen Instituts. Er beendete 1983 sein Maschinenbaustudium in Aachen und wurde später am Aerodynamischen Institut auf dem Gebiet der numerischen Strömungsmechanik promoviert. Im Jahr 1987 ging Prof. Schröder als Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft an das California Institute of Technology. Er erhielt 1988 in Gemeinschaft mit D. Hänel und R. Schwane den Hermann-Reissner-Preis der Universität Stuttgart.

Ein Jahr später kehrte er nach Deutschland zurück, um für die Messerschmitt-Bölkow-Blohm (MBB) GmbH, später umbenannt in Deutsche Aerospace AG, im Rahmen verschiedener europäischer Raumfahrtprojekte zu arbeiten. Ab 1995 war Prof. Schröder als Professor für Mathematik, Finanzmathematik und Statistik an der Fachhochschule Braunschweig/Wolfenbüttel tätig, bis er 1998 den Ruf an die RWTH Aachen erhielt.